Mit offenem Herzen durch die Zeiten: Gedanken zur Nachwuchsförderung

Ich liebe meinen Beruf. Ich liebe die Sprache, das Spiel, die Vielstimmigkeit des Synchrons. Und ich liebe es, wenn junge Menschen ihre ersten Schritte in diese Welt wagen – neugierig, voller Sehnsucht nach Ausdruck, nach Stimme, nach Zugehörigkeit. Seit vielen Jahren habe ich mich mit ganzem Herzen der Förderung dieser jungen Talente verschrieben. Und so vieles davon war schön. Doch ich möchte heute ehrlich sein – und dennoch warm und offen bleiben. Denn es gibt Entwicklungen, die mich als Förderer und Mensch beschäftigen. Und ich wünsche mir, dass wir darüber miteinander ins Gespräch kommen.

Von ganz unten – und trotzdem weiter

Ich selbst komme nicht aus einem Umfeld, das mir den Weg in die Medienbranche geebnet hätte. Keine familiären Kontakte, keine Rücklagen, keine Netzwerke. Nur Neugier, Disziplin, Geduld – und eine tiefe Liebe zum Geschichtenerzählen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, auf eine verschlossene Tür zu treffen. Und genau deshalb wollte ich andere Türen öffnen. Ich habe mich hochgearbeitet: über Ausbildungen, Praktika, ein Filmstudium mit Schwerpunkt Regie und Produktion. Und ich habe früh verstanden, wie wichtig es ist, sich ständig weiterzubilden – handwerklich, menschlich, künstlerisch.

Dieser Weg war lang, oft steinig – aber er hat mir eine solide Basis gegeben. Und heute, da ich selbst Projekte leite, wollte ich genau diese Chancen weitergeben. Ich wollte jungen Menschen das geben, was ich mir selbst so sehr gewünscht hätte.

Ideale treffen auf Realität

Doch die Realität hat mich in den letzten Jahren auch oft traurig gemacht. Ich habe viel versucht: Coachings, Netzwerke, Teilhabe an Produktionen, persönliche Begleitung. Aber oft habe ich erlebt, dass es nicht an der Stimme scheitert – sondern an den sozialen Kompetenzen der Amwärter:innen. An der Bereitschaft, zu wachsen. Am Respekt gegenüber der Arbeit, einander und sich selbst.

Viele junge Menschen leben in digitalen Welten, in denen Anerkennung schnell und scheinbar mühelos kommt. Likes statt Leistung. Applaus in Kommentarform. In diesen Communities fehlt oft die Konfrontation mit der echten Arbeit, die Reibung, das gemeinsame Ringen um Qualität. Und so begegnen mir immer wieder Talente, die sich selbst überschätzen, aber Kritik als Angriff empfinden. Die voller Wunsch sind – aber ohne Geduld. Und ohne die Fähigkeit, sich in ein Team einzufügen.

Ich weiß: Diese Entwicklungen haben Ursachen. Und sie machen niemanden „schlecht“. Sie zeigen, wie sehr sich unsere Welt verändert hat – und wie dringend wir Brücken brauchen zwischen diesen Welten.

Glaube an Charakter und Entwicklung

In meiner Arbeit habe ich erlebt, dass es ganz oft nicht um reines Talent geht. Sondern um Haltung. Die Menschen, mit denen ich am besten arbeiten konnte, waren meist diejenigen, die schon in Ausbildung, Workshops oder anderen Programmen geübt hatten, sich zu hinterfragen. Sie bringen nicht nur Technik mit, sondern eine gewisse Demut. Und den Wunsch, zu lernen – gemeinsam. Diese Talente brauchen nicht ständig Bestätigung, weil sie ein echtes Fundament entwickelt haben. Sie sind offen, klar und bereit, Verantwortung zu tragen – auch für das Miteinander.

Genau mit diesen Menschen möchte ich weiterhin arbeiten. Nicht, weil sie „besser“ wären, sondern weil sie reifer sind. Weil sie nicht nur die Kunst ehren, sondern auch den Prozess, den Weg, das Miteinander. Diese Qualität wünsche ich mir in meiner Arbeit – und auch für unsere Branche insgesamt.

Ein offener Blick auf neue Wege

Ich gebe zu: Es gab Momente, in denen ich aufgeben wollte. In denen ich dachte: Vielleicht ist es besser, den Nachwuchs in Ruhe zu lassen. Vielleicht braucht es die Hürden, die diese Branche hat – als Schutzmechanismus, nicht als Boshaftigkeit.

Aber dann denke ich an die, die ich erreichen konnte. An die Momente, in denen ein junger Mensch durchhält, sich öffnet, wächst. Und an die Kraft, die darin liegt, gemeinsam zu reifen. Vielleicht brauchen wir neue Formate der Förderung – weniger idealistisch, aber nicht weniger liebevoll. Weniger nach dem Motto „Ich zeige euch alles“, sondern eher „Wir gehen ein Stück gemeinsam“. Vielleicht geht es gar nicht mehr um klassische Mentorenrollen, sondern um Netzwerke, die Vielfalt ermöglichen, aber auch Verbindlichkeit einfordern.

Was bleibt, ist ein gemeinsames Interesse

Ich bin nicht müde geworden in meiner Liebe zu diesem Beruf. Aber ich bin achtsamer geworden mit meiner Energie. Und ich spüre, dass meine Aufgabe sich verändert. Ich werde weiterhin fördern – aber anders. Konzentrierter. Behutsamer. Und vor allem mit Menschen, die wirklich bereit sind, sich einzulassen. Menschen, die nicht nur Stimme sein wollen, sondern Charakter. Menschen, die wissen, dass Erfolg nicht auf Klicks basiert, sondern auf Konsistenz, Gemeinschaft und Hingabe.

Vielleicht bin ich nicht mehr der, der alle retten will. Aber ich bin weiterhin jemand, der an euch glaubt – wenn ihr bereit seid, euch auf den Weg zu machen.

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