Als Regisseur und leidenschaftlicher Förderer junger Talente habe ich in den letzten Jahren einen langen und oft schmerzhaften Weg zurückgelegt. Mein Engagement galt der Suche nach neuen Stimmen im Synchronschauspiel und dem Bestreben, talentierten jungen Menschen eine Chance zu geben, die ich selbst als Jugendlicher nicht erhielt. Doch diese Reise, die einst von Hoffnung und idealistischem Eifer geprägt war, hat sich zu einem Kampf gegen eine überwältigende Frustration entwickelt.
Keine Chance ohne Erfahrung, keine Erfahrung ohne Chance (außer man hat Geld oder die Eltern kennen wen)
Der Beginn meiner Karriere war geprägt von harter Arbeit und dem unerschütterlichen Glauben, dass Fleiß und Hingabe eines Tages anerkannt werden würden. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, ohne Kontakte und ohne die finanziellen Mittel, die es anderen erleichterten, ihre Träume zu verwirklichen. Die erste Chance in der „elitären“ Medienbranche zu erhalten, die sich extrem gut auf Gatekeeping versteht, war schwierig und ich musste mich durch eine Vielzahl von Entbehrungen kämpfen. Doch schließlich begann sich die harte Arbeit auszuzahlen. Mein Studium und meine praktische Erfahrung, die ich während meiner Zeit in diversen Produktionen, Redaktionen und durch intensive Arbeit in der Branche gesammelt habe, halfen mir, meine Expertise weiterzuentwickeln. Die Berufsausbildung und die Fähigkeit, mich stetig zu verbessern, trugen wesentlich dazu bei, dass ich mich in dieser Welt erfolgreich etablieren konnte. Diese solide Basis ermöglichte es mir, größere Projekte zu übernehmen und mir als Regisseur und Produzent einen Namen zu machen.
Kurz, weil es lang keiner lesen will:
Meine berufliche Reise begann mit einer Ausbildung, Grafik und Schnitt. Dann Redaktionen, Werbeagenturen, Fernsehsender. Danach ein Filmstudium — mit den Schwerpunkten Regie und Produktion — und meine Bachelorarbeit die sowohl Synchronregie als auch eine wissenschaftliche Thesis umfasste. Ich durfte viele Film- und Audioproduktionen begleiten und sogar leiten. Durch eigene Hörspielproduktionen wie „HONKITA“ und „Trust me, I’m a Dungeoneer“ konnte ich mein technisches und kreatives Können unabhängig von einem Arbeitgeber oder finanzieller Förderung unter Beweis stellen.
Ich will anderen die Chance geben, die ich anfangs nicht erhielt
Heute, wo ich in einer Position bin, in der ich neue Talente unterstützen könnte, sehe ich mich jedoch einem anderen Kampf gegenüber. Die Werte, die mich durch meine Karriere getragen haben – Empathie, harte Arbeit und Loyalität – scheinen in der jüngeren Generation nicht mehr dieselbe Bedeutung zu haben. Die Realität, mit der ich konfrontiert bin, zeigt mir immer wieder, dass viele junge Menschen, die ich fördern wollte, durch ihre soziale Isolation und ihre unrealistischen Vorstellungen von Ruhm und Erfolg geprägt sind. Der Geltungsdrang, der Mangel an Empathie und die übersteigerte Selbstwahrnehmung haben sie weit von den grundlegenden Prinzipien entfernt, die für den Erfolg in unserer Branche notwendig sind.
Hätte ich nicht von mir auf andere schließen sollen?
Ich habe mich in der Nachwuchsförderung engagiert, weil ich Jugendlichen helfen wollte, die genauso waren wie ich damals – talentiert, diszipliniert, und bereit, sich durch harte Arbeit und gutes Benehmen in der Branche zu beweisen. Doch nach den vielen schwierigen Erfahrungen der letzten Jahre beginne ich, meine ursprüngliche Überzeugung zu hinterfragen. Vielleicht ist die Jugend von heute nicht schlechter als die meiner Zeit; vielleicht war ich einfach eine Ausnahme, ein junger Mensch mit außergewöhnlicher Reife und Hingabe, die auch damals schon nicht üblich war. Wenn dem so sein sollte, war das Scheitern des Maßstabs vorprogrammiert.
Und es stellt sich die Frage, ob meine Initiative, jungen Talenten breitere Chancen zu bieten, wirklich der richtige Weg war. Möglicherweise wurden die Hürden der Branche nicht grundlos so hoch angesetzt – vielleicht auch als eine Art Schutzmechanismus, um sicherzustellen, dass nur die wirklich fähigen den Weg ins professionelle Umfeld finden. Es könnte also sein, dass mein Engagement, so gut es auch gemeint war, versehentlich einen Schutzmechanismus der Branche infrage gestellt hat und die Tore zurecht verschlossen wurden!
Viele junge Talente scheitern an grundlegenden sozialen Fähigkeiten
Ein wesentlicher Faktor für das Fehlverhalten junger Talente ist die Rolle des Internets und der damit verbundenen Communities. Junge Menschen, die sich in der digitalen Welt tummeln, sind oft Teil von Foren und sozialen Netzwerken, in denen sie sich gegenseitig bestätigen und ihre falschen Sichtweisen verstärken. Diese Online-Communities bieten eine Plattform für eine verzerrte Realität, in der sie sich selbst als überragend und unfehlbar sehen. Dort wird die Vorstellung verbreitet, dass eine „schöne Stimme“ allein ausreicht und harte Arbeit nicht notwendig ist. Die ständige Bestätigung durch Gleichgesinnte im Internet ersetzt oft die notwendige Auseinandersetzung mit der realen Welt und den echten Anforderungen eines professionellen Umfelds. Die Communities fördern nicht selten toxisches Verhalten und Egoismus, indem sie das Verhalten, das in der realen Welt unangemessen wäre, als normal und akzeptabel darstellen. Diese digitale Bubble blenden die jungen Menschen von den harten Fakten und realistischen Herausforderungen der Branche aus und machen sie ungeeignet für eine echte berufliche Zusammenarbeit. Sie entwickeln eine Haltung, die wenig mit den Anforderungen und den Werten der echten Welt zu tun hat und scheitern letztlich an den hohen Standards, die für Erfolg erforderlich sind.
Ich habe gelernt, dass es nicht nur um das Fachliche geht, sondern auch um die sozialen Kompetenzen, die notwendig sind, um in einem Team erfolgreich zu arbeiten. Die Fähigkeit, unterschiedliche Menschen zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, sind essenziell. Viele junge Talente zeigen jedoch einen Mangel an diesen Fähigkeiten. Ihr Verhalten zeigt, dass sie nicht bereit sind, sich auf die Realität einzulassen und die notwendige Disziplin zu zeigen.
Sprachschauspiel erfordert Charakter
Die Art von Talenten, mit denen ich am besten arbeiten konnte, waren diejenigen, die bereits eine Schauspielausbildung oder Workshops hinter sich haben. Diese Menschen haben Zeit, Geld und Energie in ihre Entwicklung investiert und beweisen damit nicht nur ihre Ernsthaftigkeit, sondern auch ihre Bereitschaft, harte und nachhaltige Arbeit zu leisten. Workshops und Ausbildungen sind ein klares Zeichen dafür, dass sie es ernst meinen und nicht nur auf den schnellen Erfolg oder die oberflächliche Anerkennung aus sind. Diese Talente gehen nicht nur ernster mit ihrer Arbeit, sondern auch mit ihrem Leben um.
Sie zeigen in der Zusammenarbeit eine Reife und Selbstdisziplin, die sich im Umgang mit anderen Teammitgliedern und im professionellen Umfeld widerspiegelt. Im Gegensatz zu jüngeren, unerfahreneren Personen sind diese Menschen nicht auf Applaus und Bestätigung aus dem Internet angewiesen. Sie haben bereits erkannt, dass es im beruflichen Kontext und in der persönlichen Entwicklung nicht um schnelle Anerkennung geht, wie sie oft im Internet zu finden ist. Stattdessen sind sie bereit, in die Tiefe zu gehen, sich selbst zu hinterfragen und kontinuierlich an sich zu arbeiten. Diese Menschen kennen den Wert ihrer eigenen Anstrengungen und Errungenschaften. Sie wissen, dass echter Erfolg nicht durch Likes oder Kommentare, sondern durch konsequente, harte Arbeit und die Fähigkeit, langfristige Ziele zu verfolgen, erreicht wird. Ihr Verhalten ist geprägt von Respekt, Integrität und der Bereitschaft, sich den realen Herausforderungen der Branche zu stellen, anstatt sich in virtuellen Bestätigungsblasen zu verlieren.
Es sind genau diese Eigenschaften, die sie zu den idealen Partner:innen für meine zukünftigen Projekte machen – Projekte, die nicht nur künstlerischen, sondern auch menschlichen Anspruch haben. Ich werde mich deshalb künftig auf solche Talente konzentrieren, um mit ihnen anspruchsvolle und reife Produktionen zu realisieren.
Ist es mir das noch wert?
Meine Entscheidung, mich von der Nachwuchsförderung zurückzuziehen und mich stattdessen auf die Arbeit mit erfahrenen, vorgebildeten Talenten zu konzentrieren, ist nicht leicht gefallen. Ich sehe den Wert und die Notwendigkeit, meine eigenen Projekte fortzuführen, die erwachsenen und künstlerischen Anspruch haben, als eine Möglichkeit, mich selbst weiterzuentwickeln und meine kreativen Ideen auszuleben. Doch der Gedanke, jungen Menschen, die möglicherweise dieselben Schwierigkeiten hatten wie ich, keine Chance mehr zu geben, belastet mich tief.
Meine Leidenschaft für die Förderung junger Talente war und ist ein wesentlicher Teil meines beruflichen Lebens. Sie hat mir geholfen, meine eigene Reise zu reflektieren und die nächste Generation zu inspirieren. Doch die Enttäuschungen und die ständige Konfrontation mit einem veränderten Werteverständnis lassen mich an der Sinnhaftigkeit meiner Bemühungen zweifeln. Die Frage, die mich quält, ist, ob ich wirklich aufgeben sollte, oder ob es einen Weg gibt, diese Herausforderungen zu überwinden und wieder Hoffnung zu schöpfen?
Ich habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft
Ich habe bereits zahlreiche Versuche unternommen, um den jungen Talenten zu helfen. Ich habe ihnen nicht nur Beispiele gezeigt und sie an Produktionen teilhaben lassen, sondern auch frühzeitig Kontakte zu namhaften Fachleuten hergestellt, um ihnen den Einstieg zu erleichtern. Ich habe offene und direkte Schulungen angeboten, mich als Freund und Mentor positioniert, und sogar weitere Expert:innen konsultiert, um die Qualität der Lehre zu verbessern. Trotz dieser intensiven Bemühungen stieß ich immer wieder auf die gleichen Probleme: mangelnde Disziplin, fehlende Empathie und ein übermäßiges Ego. Viele dieser Talente konnten die harte Realität des Berufs nicht akzeptieren und waren stattdessen von den Bestätigungen ihrer Online-Communities so beeinflusst, dass sie die Notwendigkeit echter beruflicher Weiterbildung und Teamarbeit nicht anerkennen konnten. Diese ständigen Enttäuschungen und der wiederholte Mangel an Fortschritt haben meine Geduld auf eine harte Probe gestellt und mich dazu gebracht, ernsthaft über die Sinnhaftigkeit meiner weiteren Förderung nachzudenken.
Ich bin enttäuscht
Ich stehe an einem Scheideweg, an dem ich unsicher bin, ob ich meine Förderungen endgültig einstellen oder doch weiterhin versuchen soll, einen positiven Unterschied zu machen. Vielleicht liegt die Lösung darin, neue Wege zu finden, um junge Menschen auf eine Weise zu erreichen, die den Anforderungen der Branche gerecht wird und gleichzeitig ihre Erwartungen und Vorstellungen berücksichtigt. Die Herausforderung besteht darin, den richtigen Balanceakt zu finden zwischen der Notwendigkeit, sich selbst und seine Gesundheit zu schützen und dem Wunsch, denen zu helfen, die eine Chance verdienen.
Ich weiß es noch nicht
Dieser Blogartikel ist ein emotionaler Aufruf und ein Spiegel meiner Verzweiflung. Ich hoffe, dass er nicht nur meine persönliche Situation reflektiert, sondern auch zu einer Diskussion anregt, wie wir gemeinsam an Lösungen arbeiten können, um junge Talente auf eine Weise zu fördern, die sowohl ihre Bedürfnisse als auch die Anforderungen unserer Branche respektiert.