Der Erfolg von „Bettflucht“

Heute möchte ich euch von meinem ersten professionellen, fiktionalen Kurzfilmprojekt erzählen, welches ich als Produzent betreuen durfte. Warum ein Rentner über Nacht 30 Jahre jünger wurde, unsere Ausstatter in einem Kindergarten abgehangen haben und warum ein Faberge-Ei angefragt wurde, lest ihr ihr.

Klaus reißt aus

„Bettflucht“ erzählt die Geschichte des Rentners Klaus Stockmann, der aus einem Seniorenheim ausbricht, um noch mal eine Nacht als Zirkusclown zu verbringen. 

Eine Geschichte, die irgendwie alles hat: Einen mitleiderweckenden Senior, der gewieft eine garstige Pflegerin austrickst, eine dramatische Wendung, eine emotionale Pointe und viel Liebe zum Detail. Bis so ein Film aber fertig im Raum steht, gibt es viel zu tun – vor allem für den Produzenten. 

Was macht ein Produzent?

Ein Produzent ist der Möglichmacher eines Projekts. Der Gesamtverantwortliche, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Mitwirkende, Budget, Organisation, Juristerei, Logistik und so weiter. Die Arbeit eines Produzenten beginnt dabei schon weit vor Drehstart mit der Vorproduktion – in diesem Fall rund ein halbes Jahr. Ich möchte euch, unterteilt in verschiedene Kapitel, von ein paar Aspekten meiner Arbeit für dieses Projekt erzählen. 

Sets

Im Film gibt es zwei wesentliche Spielorte: Das Seniorenheim und Klaus‘ Garage. Und beide zu finden war erstaunlicherweise kein Problem! Die Garage gehörte zum Elternhaus eines Kommilitonen. Die hat er ausgeräumt, das Auto für drei Wochen umgeparkt, um so vor Drehstart unserer Ausstattung Platz zu machen. 

Das Seniorenheim war ein glücklicher Zufall. Eine Kommilitonin hat von der Produktion gehört und mich angesprochen. Sie habe erst letzte Woche in einem leeren Krankenhaus gedreht und wisse, dass der Flügel noch einige Zeit leer stehen würde. Sie gab mir die Nummer des zuständigen Krankenhausdirektors und ich rief an. Wir haben 7 Drehtage geschenkt bekommen, einfach so! Wir haben die Schlüssel für eine ganze, voll ausgestattete Station bekommen, die kurz vor der Renovierung stand und deshalb unbewohnt war. Dazu noch 24-Stunden Zugang zum Gebäude inklusive Lastenaufzug – einfach so! Ich musste nicht einmal Verhandeln oder Betteln. (Eine absolute Ausnahme, wie der weitere Verlauf des Studiums noch zeigen sollte.)

Im nächsten Schritt hin zu perfekten Sets haben Regie und Setdesign Konzepte für die Innenausstattung entwickelt und mir eingereicht. Während im Krankenhaus so gut wie nichts zu tun war, – es war voll ausgestattet und sah top steril aus – mussten wir die Garage vom Rohbau ausgehend komplett einrichten. Die Regie hat ihre Vorstellung formuliert, die Setdesigner*innen haben sich überlegt, wie und ob man die umsetzen könnte und zuletzt musste ich entscheiden, was davon – angesichts des Budgets – gemacht werden kann. Denn natürlich steht nicht das ganze Budget zur Verfügung, als demselben Pott wird ja auch alles andere bezahlt. Für die beiden sprangen nur wenige hundert Euro dabei raus und sie mussten viel Kreativität und Energie investieren. 

Die paar Möbel waren einfach bei ebay Kleinanzeige zu finden. Schminkkommode, Sideboard, Kleiderschrank. Gebraucht für kleines Geld oder geschenkt. Für unseren Film brauchten wir eh alte, ranzige Stücke und was nicht betagt genug war, haben wir patiniert. Also künstlich gealtert. Die teuerste Anschaffung war dieser meterlange, wallende Vorhang! Stoffbahnen sind echt teuer und weil es gebraucht nichts geeignetes gab, haben wir Geld auf das Problem geworfen. Mit der Folge, dass wir dann kein Geld mehr hatten, um es auf andere Probleme zu werfen. 

Die Setdesigner haben die Garage in eine Manege verwandelt, eine urige Zeitkapsel von Opa Klaus. Kleine Bilderrahmen, Spielbälle, ein vergilbter Schirm, animierte Lichterketten, ausgetrocknetes Makeup – ein kunterbuntes Clownzimmer überzogen mit einer dicken Staubschicht. Der Staub war ein echter Trottel-Test. Und ich habe ihn verkackt. Am ersten Drehtag an dieser Location kam ich ans Set und war mega fasziniert und aufgeregt, weil alles so gut aussah! So echt und alt! Überall war gleichmäßig der Staub verteilt: Ebenen, Wände, Ecken! Ich eilte zum Schminkspiegel, wischte mit dem Finger über die Scheibe. „Wow, wie habt ihr das hinbekommen?“ Fragte ich mit staubigem Finger die Setdesigner, die mich fassungslos mit offenen Münder anstarrten. Totenstille am Set. Es dauerte einen Moment, bis ich verstand. „OH GOTT ICH BIN EIN VOLLIDIOT!“, rief ich. Denn ich hatte an einem heißen Set mit meinem Finger eine tiefe Spur durch den Staub gezogen – mitten im Motiv! Man sieht das im fertigen Film, weil es nicht mehr zu reparieren war. Falls ihr den Trick wissen wollt, wie auch ich ihn wissen wollte: Sie haben Dinkelmehl unter die Decke geworfen. Das ist dann gleichmäßig hernieder geregnet und hat den realistischen Staub geformt. 

Auch cool fand ich die Bilder in Reihe an der Wand. Das waren krakelige Kinderzeichnungen mit Clowns und anderen Zirkusattraktionen darauf. Da haben die Setdesigner ein dickes Lob von mir bekommen – die sahen total echt aus, wie von Kindern! „Die sind von Kindern“, sagte eine von den Ausstatterinnen. Die waren tatsächlich mit einem Stapel Papier im Kindergarten, haben alle Kinder was thematisches malen lassen und haben die Bilder dann in einer Badewanne voll Kaffee patiniert – wow! Also spätestens da waren da meine Held*innen des Drehs! 

Schauspielende

Dieser Punkt hat mich gebrochen, das war so ein schlimmes Drama! Wir hatten als Opa Klaus einen bekannten TV-Schauspieler verpflichtet. Mit Vertrag, Gage, Unterkunft und co., alles nach seinen Wünschen und sehr teuer. Dann, einen Tag vor Drehstart, sagte er plötzlich per SMS an mich ab. Ich rief an und fragte was los sei. „Ich habe keinen Bock“ – „Aber wir haben einen Vertrag.“ – „Dann verklag mich doch; du bist Student, das kannst du dir eh nicht leisten!“ Besonders doof war obendrein, dass ich da gerade aus dem Verlagsgebäude kam. Und ein Interview zu den ausstehenden Dreharbeiten gegeben habe. Und unseren tollen prominenten Hauptdarsteller. Daher mein eiserner Schwur, nie wieder TV-Prominenz zu besetzen! Da standen wir nun also einen Tag vor Drehstart ohne Hauptdarsteller und mit einem großen Leitartikel, der ihn und uns bewirbt. Wir konnten den Dreh nicht verschieben und neu casten, da die Produktion unser aller Prüfungsleistung war und zwingend fertig werden musste. Also nahmen wir den erstbesten Ersatzmann der eine ganze Woche frei hatte für uns. Einen amerikanischen Bekannten des Kameramann der kurz zuvor mit seiner deutschen Frau nach Deutschland gezogen ist, weil sie ihr Kind nicht unter Trump aufwachsen sehen wollten. Der Mann war spitze! Super talentiert und richtig lieb! Was er jedoch nicht war… ein Opa. Wir haben unser möglichstes getan und seine Haare grau gefärbt, die Falten mit Makeup vertieft und einen falschen Bauch besorgt. Den brauchten wir, weil wir ein Clownskostüm haben anfertigen lassen – aber eben für die Maße des vertragsbrüchigen Originalschauspielers.

Ursprünglich waren zwei zusätzliche Szenen im Altenheim geplant, in denen die Antagonistin – Pflegerin Marta – die Senioren mies behandelt. Die haben auch stattgefunden, wir haben sie gedreht. Im Schnitt sind aber beide rausgeflogen. Und damit auch die 6 greisen Statist*innen die ich mühsam organisiert habe und die alle den Weg auf sich genommen haben nur um dann nicht im Film zu sein – da hab ich mich echt geschämt für diese Entscheidung von Regie und Schnitt. Also unter sozialen Gesichtspunkten. inhaltlich, für den Fluss des Films, war das eine gute Entscheidung, muss ich zugeben.

Apropos Pflegerin Marta – die haben wir richtig gecastet. Ich habe uns das Kino des Fachbereichs reserviert, wir haben Tische und Strahler aufgestellt und viel freie Fläche für ein Vorspielen geschaffen. So hatte sich unser Regisseur das vorgestellt um Eindruck zu machen. Das Casting haben wir überall beworben, wo es nur ging und uns einen ganzen Nachmittag dafür freigenommen. Es kamen original nur zwei Personen. Da war ich ein bisschen stinkig auf den Regisseur, dass er so hoch gepokert hatte aber in erster Linie stinkig auf mich, dass ich als Produzent das durchgewunken habe und diesen immensen Aufwand auch noch unterstützte. Unser Glück war, dass unter den beiden eine Schauspielerin dabei war, die total super gepasst hat – und mit ihr haben wir dann auch gearbeitet.

Das Fabergé-Ei

Eine witzige Geschichte die ich oft erzähle und mit der ich gerne veranschauliche, was der Nachteil am Produzentenberuf ist. Ihr erinnert das Krankenhaus, in dem wir zu Gast waren für den Dreh? Ein Setdesigner rief mich ein oder zwei Wochen vor Drehbeginn an: „Ich brauche mehr Geld, der Regisseur will dass ich einen Wandteppich in das Krankenzimmer hänge.“ Da ist mir alles aus dem Gesicht gefallen. Erstens haben wir kein Budget mehr, ein Teppich war nie geplant. Und vor allem wollen wir ein deutsches Seniorenheim Zimmer erzählen – da gehört doch kein Wandteppich hin und… Moment… Wir sind in dem Krankenhaus zu Gast, wir können da doch nicht in die Wand bohren und einen Teppich aufhängen – sollen wir hinterher das ganze Zimmer renovieren oder was? „Ja… dann sag du das bitte dem Regisseur, ich trau mich nicht.“ Das muss der Setdesigner auch nicht, das ist natürlich meine Aufgabe als Produzent gewesen und ich habe angerufen. Der Regisseur stammt aus der Ukraine und es stellte sich im Gespräch heraus, dass dort Wandteppiche bei alten Leuten ein Ding sind. Ich erklärte ihm, dass das hierzulande nicht so ist und er aus den oben genannten Gründen keinen bekommen kann. Fand er natürlich nicht gut, dass seine kreative Idee verneint wurde. Am nächsten Tag noch ein Anruf vom Setdesigner: „Ich brauche mehr Geld, der Regisseur will ein Fabergé-Ei im Seniorenheim haben.“ Ich glaub mein Schwein pfeifft! Ich wieder den Regisseur angerufen und wir führten dasselbe Gespräch wie am Vortag. Und wieder war er ein bisschen mehr sauer, dass auch diese Idee abgelehnt wurde. Tag drei, dasselbe Spiel „Ich brauche mehr Geld, der Regisseur will, dass ich das Zimmer rot streiche.“ Da ist mir echt die Hutschnur geplatzt. Das Budget ist aufgebraucht, die Zeit ist knapp und wir können doch nicht das Krankenhaus umlackieren, das müssen wir alles wieder zurückbauen, wir streichen und tapezieren da doch nicht zwei mal! Und davon ab: Seit wann sind Seniorenheim Zimmer bunt? Die dritte Ablehnung hat dann dazu geführt, dass der Regisseur sauer auf mich war.

Aus seiner Sicht muss es sich so dargestellt haben, als mochte ich seine Ideen nicht und hätte deswegen das Budget nicht freigegeben, egal was er vorschlägt. Dabei hatte ich keine Wahl, es gab kein übriges Budget mehr und bauliche Veränderungen waren absolut nicht möglich. Wir haben uns nach dem Dreh vertragen, das war schön. In dieser stressigen, angespannten Phase, kommt es aber zielsicher immer zu Konflikten. Das ist normal. Ich dachte erst, das wäre was persönliches aber als ich sah, dass es bei den Kommiliton*innen die auch produzieren genau dasselbe ist, war ich irgendwie erleichtert.

Premiere!

Bettflucht war auch der erste meiner Filme, der auf einem Festival lief. Damit hatte ich allerdings nichts zu tun, der Regisseur hat ihn eingereicht und ich habe mich der Öffentlichkeit nicht angeschlossen, da es mir in der Zeit nicht so gut ging. Er hatte einen ganz tollen Galaabend und ich will doch sehr hoffen, dass er ein Bierchen für mich mitgetrunken hat! Den Film könnt ihr euch hier ansehen.

Und das war die Geschichte von Bettflucht,

  • Der Jan

Dieser Artikel ist noch nicht fertig und wird stetig ergänzt. Wir bitten um Geduld.

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