Hellouh, hellouh! Heute geht es um ein Problem, das Sprecher:innen von Sachtexten im Charakterschauspiel haben: das Sendungsbewusstsein.
Vorab zum Begriff: der ist geklaut und bedeutet ursprünglich was ganz anderes. Hier meint er das Bewusstsein, dass man für ein Publikum spricht.
Beispiel: Im Reality TV fangen die Teilnehmenden extra Stress an, weil sie wissen, dass sie dann mehr Sendezeit kriegen.
Übertragen ins Charakterschauspiel ist Sendebewusstsein zu deutlich zu sprechen – als wüsste die Figur, dass sie ein Publikum hat. Als wollte sie auf weitem Raum verstanden werden und gefallen. Das killt die Authentizität aus zwei Gründen:
Erstens, die Figur hat keine Sprachausbildung. Es macht keinen Sinn, dass sie so exakt spricht.
Und zweitens, im Charakterschauspiel zeigen wir private Interaktionen. Da ist man nicht exakt und deutlich, sondern locker.
Sprecher:innen von Sachtexten sind darauf trainiert, Informationen zu vermitteln. Da soll das Publikum den Inhalt verstehen. Das bedeutet laut, deutlich, Pausen, betont artikuliert.
Beim Charakterschauspiel hingegen geht es darum, einen Alltag zu erzählen. Die Figur spricht nicht für ein Publikum, sondern direkt zu anderen Charakteren. Also locker, sie murmelt manchmal, zögert, spricht mal leiser, mal lauter, und ihre Sätze sind nicht immer perfekt formuliert. Die Authentizität kommt hier aus der Unvollkommenheit des Menschseins.
Lee Strasberg nannte dieses Mindset den Private Moment. Das Ausblenden, jetzt gerade Schauspieler:in zu sein.
Sachtexte und Charakterschauspiel erfordern unterschiedliche Herangehensweisen und Profis müssen die Fähigkeit beherrschen, mit einem Knopfdruck zwischen diesen Arten des Sprechens zu wechseln.